Lieber Blog,
mein Name ist Veit Voßhans und ich bin ein Absolvent des Studienganges „Theorie und Vergleich politischer Systeme im Wandel“, abgekürzt TuV. Natürlich stellt man sich auf Partys nicht mit diesem langen Studiengangs-Namen vor. Hier wird erwähnt, man studiere einen politikwissenschaftlichen Master. Mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung und Arbeitserfahrung, sowie im Schnitt zehn Jahre älter zu sein, ist man im Bachelor noch eine Seltenheit. Im Master kann man jedoch auf ein Äquivalent treffen. Mit diesem gebrochenen Lebenslauf schreibe ich nun aus der Sicht eines Bildungsaufsteigers und wie ich meinen Studiengang wahrgenommen habe.
Zunächst fällt mir die Frage von einigen Professor*innen ein, wo es um die Zukunft nach dem Bachelor ging. Bei mir wurde einfach angenommen, ich werde keinen Master absolvieren. Ob man sich dabei auf die Statistik bezog oder einfach nicht an einen Bildungsaufsteiger im Master glaubte, war mir unklar. Ich stelle mir heute die Frage, warum ich diesen Umstand damals nicht hinterfragte. Es ging also los mit dem Master. Im ersten Semester besuchte ich die Basismodule. Ich schreibe extra „besuchte“ und nicht „absolvierte“, da ich diese nicht alle sofort beendete. Gerade die Statistikklausur schob ich erstmal weit nach hinten, obwohl ich die Vorlesung besuchte und mitarbeitete. Nicht die beste Entscheidung, die ich traf.
Spannend empfand ich die Aufbaumodule. Zum einen, weil hier auch alle anderen politischen Masterstudierenden aufliefen und man sich vernetzen und austauschen konnte. Zum anderen wegen der Inhalte. Es sollten drei von fünf[1] Modulen gewählt werden und sie gingen insgesamt über zwei Semester. Ich wollte einfach nichts verpassen. Und so besuchte ich alle fünf, die so bereitgestellt worden waren, dass es keine zeitlichen Überschneidungen gab. Ich wurde jedoch darauf angesprochen, ich solle bitte nur drei wählen, da es mit den Plätzen zu knapp sei. So musste also eine Auswahl getroffen werden. Bei einem Seminar musste ich feststellen, dass meine Wahl nicht die Beste war, da die Inhalte mich doch sehr langweilten. Ich hätte die Warnungen einiger Kommilitonen aus den Vorjahren beherzigen müssen, die mich darauf hingewiesen hatten. Bei den anderen beiden Seminaren war es höchst spannend, aber auch zeitaufwendig. Ich hatte nicht das Gefühl, als müsse ich mehr lernen als andere jüngere Studierende mit einem geraden Lebenslauf. Das zeigte sich auch gerade in den Lerngruppen; wir waren alle auf einer Höhe. Mit dem zweisemestrigen Forschungsmodul wurde es höchst faszinierend. Wir beschäftigten uns mit dem Wähler*innenverhalten und unternahmen dabei auch eine Forschungsreise nach Rumänien. Mittlerweile war unser TuV eine eingeschworene Gemeinschaft mit der Unternehmung Indizes zu nutzen, um Demokratieforschung zu betreiben.
Mir gefiel es, immer eine Ansprechpartner*in zu haben, wenn es um die Belange des Studiums und darüber hinaus ging. Per E-Mail bekam man schnell eine Antwort. Es war aber auch möglich nach einem Seminar oder einer Vorlesung kurz zu schnacken oder gemeinsam einen Kaffee trinken zu gehen.
Durch die geringe Zahl der Student*innen im MA war es darüber hinaus auch immer möglich mit den Professor*innen über das aktuelle Tagesgeschehen zu diskutieren oder dieses mit einer politischen Theorie zu beweisen oder zu hinterfragen.
Die Hälfte der Zeit des Masters hatte ich ein Vollstipendium bei der Hans-Böckler-Stiftung. Die andere Hälfte habe ich nebenher gearbeitet. Hier hatte ich das Gefühl von wenigen Student*innen manches Mal von oben herab angesehen zu werden, wenn ich mit Uniform im Gastrobereich des Studierendenwerks tätig war. Das machte mich aber stolz, denn Arbeit ist Arbeit. Ob jüngere Leute wohl genauso selbstbewusst damit umgehen, hatte ich mich immer gefragt, ohne eine Antwort darauf zu erhalten.
Zum Begin der Coronazeit konnte ich vielen Nebenjobs nicht mehr nachgehen, etwa weil der Gastrobereich zurückgefahren wurde. Als ich mir nicht mehr zu helfen wusste, wollte ich das Studium pausieren, sogar abbrechen und in Vollzeit arbeiten, um meinen Lebensunterhalt zu sichern. Nur mit Hilfe eines Professors unseres Studiengangs hielt ich durch und absolvierte meinen Master. Ich konnte in einem mir bereit gestellten Büro meiner Masterarbeit nachgehen und auch alle technischen Mittel nutzen, um meine notwendigen Interviews führen zu können. Das half zusätzlich auch gegen das Coronaloch.
Insgesamt musste ich im MA mit wenigen Vorurteilen kämpfen, bezüglich meines Alters oder meines Werdegangs. Hilfreich war auch der Umstand, dass ich gerne auf Menschen zugehe, wodurch das Eis direkt brach. Ich bin allen Menschen sehr dankbar, ob im Studiengangsmanagement, unter den Professor*innen oder im wissenschaftlichen Mittelbau sowie der Hans-Böckler-Stiftung, die mich auf dem Weg unterstützt haben. Aber auch meinen Freunden und meiner Familie bin ich sehr dankbar. Ohne euch liebe Leute, hätte ich es einfach nicht gerockt. Lieben Dank dafür!