Dass populistische Regierungen kein gutes Verhältnis zur öffentlichen Verwaltung haben, zeigt nicht erst die gegenwärtig stattfindende Demontage etlicher US-amerikanischer Bundesbehörden durch den erneut ins Amt gekommenen Präsidenten Donald Trump. Tatsächlich ist die fundamentale Neuordnung tradierter politisch-administrativer Beziehungen ein Wesensmerkmal populistischer Regierungspolitik, welches sich zwangsläufig aus dem illiberalen und anti-pluralistischen Kern der Ideologien populistischer Parteien und Bewegungen ergibt. In Regierungsverantwortung folgen diese dem übergeordneten Ziel, das gesamte staatliche Handeln ihrem politischen Programm unterzuordnen. Das erklärt sich durch die in populistischen Ideologien verankerte Annahme, die Aufgabe von Politik bestünde in der bedingungslosen Repräsentation eines durch Wahlen ermittelten, vermeintlich monolithischen Volkswillens. Ein solches Politikverständnis geht insbesondere einher mit der Bekämpfung nicht-mehrheitsgebundener Institutionen und Akteure demokratischer Systeme, welche nur mittelbar an öffentliche Kontroll- und Repräsentationsmechanismen gebunden sind. Entsprechend steht auch die öffentliche Verwaltung natürlicherweise im Fadenkreuz populistischer Reformpläne.
Allerdings wird man der Komplexität, welche der Rolle der öffentlichen Verwaltung in der Praxis demokratischer Herrschaft zugrunde liegt, nicht gerecht, wenn man den Nexus von Populismus und Verwaltung auf eine ausschließlich antagonistische Beziehung reduziert. Viel eher muss man sich vor Augen führen, dass diese Rolle durch eine durchaus widersprüchliche Doppelfunktion definiert ist. Die Verwaltung ist einerseits ein Instrument zur Verwirklichung von Mehrheitsherrschaft. Durch die zielgetreue und effektive Implementation von Gesetzen und Verordnungen stellt sie sicher, dass sich der durch Wahlen ermittelte und im Rahmen von politischen Prozessen aggregierte Mehrheitswillen des Volkes unverfälscht in die Realität staatlichen Handels übersetzt. Zur wirksamen Umsetzung seines politischen Programmes ist der politische Prinzipal entsprechend auf einen gut funktionierenden Verwaltungsapparat angewiesen. Hierfür ist ein bestimmtes Maß an administrativer Autonomie unabdingbar, welches es der Verwaltung erlaubt, ihre fachliche und praktische Expertise aktiv zu nutzen.
Als autonome Institution stellt sich die Verwaltung aber andererseits gleichsam als ein Gegengewicht zum Prinzip der Mehrheitsherrschaft dar, welches dieses in Einklang bringen soll mit pluralistischen und liberalen Elementen demokratischen Regierungshandelns. Ihre Expertise funktioniert unabhängig von temporären politischen und gesellschaftlichen Mehrheiten und bindet das Zustandekommen sowie die Umsetzung politischer Entscheidungen dadurch an Standards, welche sich der Gestaltungssphäre von Politikern entziehen. Diese beschränken sich nicht nur auf fachliche Gesichtspunkte, sondern umfassen insbesondere auch im Rechtstaatsprinzip und Verfassungen verankerte, unveränderliche prozedurale und materielle Grundsätze staatlichen Handelns.
Diese Doppelrolle zwingt populistische Regierungen in eine unliebsame Co-Abhängigkeit von der öffentlichen Verwaltung. In dem Ausmaß, in dem sie darauf angewiesen sind, die Durchführung ihres politischen Programmes an die Verwaltung zu delegieren, unterminieren sie ihren eigenen Anspruch, die Gestaltung staatlichen Handelns ausschließlich auf politische Repräsentation aufzubauen. Das steht insbesondere in diametralem Widerspruch zu dem damit verbundenen Anliegen, den Einflussspielraum von Institutionen zu begrenzen, die nicht unmittelbar an den Wählerwillen gebunden sind.
Aufbauend auf diesen Überlegungen hat die politikwissenschaftliche Verwaltungsforschung seit kurzem ein genuines Interesse an den Auswirkungen populistischer Regierungen auf das Verhältnis von Politik und Verwaltung entwickelt. Hinsichtlich des Dilemmas, mit dem die Autonomie der Verwaltung populistische Regierungen konfrontiert, stellt sich dabei die Frage, welche verwaltungspolitischen Maßnahmen ergriffen werden, um sie als Instrument zur Umsetzung der eigenen Agenda steuern zu können. Zusammenfassend lässt die bisherige Studienlage dabei eine Unterscheidung verschiedener Strategien zu. Diese umfassen die Konzentration und Zentralisierung politisch-administrativer Strukturen, eine übermäßige Politisierung von Verwaltungspersonal und -kultur, den selektiven Einsatz und Entzug von Ressourcen sowie die Reduzierung externer Kontrollmechanismen von Verwaltungshandeln. Die Intensität dieser Maßnahmen variiert dabei einerseits im Hinblick darauf, ob die jeweilige Regierung glaubt, den bereits existierenden Verwaltungsapparat für ihre Zwecke nutzbar machen zu können. Ist dies der Fall, so stellt sich populistische Verwaltungspolitik als Versuch dar, die Verwaltung zu reformieren und politisch zu vereinnahmen, während eine stärker pessimistische Haltung mit einer aktiven Zersetzung und Demontage von Teilen des bestehenden Verwaltungsapparates einhergeht. Andererseits hängen die tatsächliche Umsetzung und Reichweite all dieser Vorhaben zudem wesentlich von der Persistenz und Robustheit administrativer Strukturen und Verfahrensweisen sowie der professionellen Integrität des Personals ab.
Des Weiteren steht neben der Restrukturierung der Verwaltung selbst die Frage im Raum, wie Behördenmitarbeiter darauf reagieren, wenn populistische Regierungen sie mit der Implementation illiberaler Politik beauftragen, die nicht in Einklang zu bringen ist mit konstitutionellen, rechtsstaatlichen oder ethischen Prinzipien. Dabei lässt sich in unterschiedlichen regionalen und politischen Kontexten durchaus eine Bereitschaft unter Verwaltungsmitarbeitern ausmachen, sich der Implementation solcher Politik zu verweigern. Erste empirische Erkenntnisse legen nahe, dass hierfür ein stark ausgeprägtes professionelles Rollenverständnis sowie eine gemeinwohlorientierte Motivations- und Wertestruktur ausschlaggebend sind. Hinsichtlich der Nuancen bürokratischen Widerstandes lassen sich grob aktive und passive Strategien unterscheiden. Erstere bringen eine offene Auseinandersetzung mit Politikern und Vorgesetzten mit sich, während letztere verschiedene Formen verdeckter Sabotage und Unterminierung umfassen, bei der Verwaltungsmitarbeiter Informations- und Wissensvorsprünge nutzen, um die Implementation hinauszuzögern oder (unbemerkt) zu verhindern.
Während die verwaltungswissenschaftliche Forschung zu Populismus noch unterentwickelt ist, veranschaulichen diese Erkenntnisse bereits sehr deutlich, welchen Wert eine professionalisierte und politisch unabhängige öffentliche Verwaltung für den Fortbestand moderner Demokratie hat. Obgleich das autoritäre Politik- und Gesellschaftsbild populistischer Bewegungen in vielerlei Hinsicht inkompatibel ist mit ihrem liberalen und pluralistischen Kern, gewinnen diese auf der ganzen Welt Mehrheiten für ihre politische Agenda. Repräsentations- und Mitbestimmungsmechanismen erweisen sich in diesem Kontext einmal mehr als Achillesverse demokratischen Regierens. Vor diesem Hintergrund ist die öffentliche Verwaltung von zentraler Bedeutung um zu verhindern, dass Demokratie von innen heraus erodiert, denn sie ist, per Definition, den Belangen und Interessen aller Bürger sowie dem politischen System als Ganzem verpflichtet. Ein hohes Maß an Autonomie und Professionalisierung erscheint hierfür als wichtige Voraussetzung.
Ausgewählte Literatur
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Zitation: Laurin Friedrich: Verwaltungspolitik und bürokratischer Widerstand in Zeiten populistischer Regierungen: Verwaltungswissenschaftliche Perspektiven auf die autoritäre Krise liberaler Demokratien, Erschienen in „Über Politik aus der Wissenschaft“, Herausgeber Achim Goerres, 17.03.2025, abrufbar unter https://www.politik-wissenschaft.org/2025/03/03/populismus-burokratie/, DOI: https://doi.org/10.17185/politik-wissenschaft/20250317