In diesem Beitrag verwendet Florian Rabuza Daten von Google Trends um Aufschlüsse über die regionale Bedeutung der PEGIDA-Bewegung zu erlangen. Die Analyse stützt die Vermutung, dass PEGIDA vor allem ein Phänomen der neuen Bundesländer und sich hier vor allem auf Sachsen konzentriert. Aber auch einige Regionen und Städte in den alten Bundesländern scheinen Interesse an PEGIDA zu haben.
Google als Thermometer
Vor einiger Zeit hat Google festgestellt, dass das Suchanfragevolumen für bestimmte Suchbegriffe ein sehr guter Indikator für die regionale Verbreitung von Grippe ist. Diese Daten erlauben eine sehr frühe Erkennung drohender Grippeepidemien und Google Flu Trends ist mittlerweile ein wichtiges Instrument zur frühzeitigen Erkennung und Überwachung von Grippefällen, aber auch anderer Epidemien weltweit. Dynamische Modelle, die die zeitlich-räumliche Veränderung der Suchanfragen berücksichtigen, erlauben außerdem Prognosen über die Entwicklung von Epidemien.
Die Logik, dass das Anfragevolumen zu bestimmten Suchbegriffen, die zeitliche und regionale Bedeutung eines Themas messen kann, ist plausibel und wurde schnell auch auf andere Bereiche des öffentlichen Lebens angewendet. Konsumverhalten, Entwicklung von Arbeitsmärkten und sogar die Zukunftsorientierung von Gesellschaften (Platz 1: Deutschland) werden mit Googles Analyse-Tool Google Trends untersucht.
In diesem Blog-Beitrag möchte ich die Möglichkeiten von Google Trends dazu nutzen, um ein Phänomen zu untersuchen, das in Deutschland in jüngster Vergangenheit ein hohes Maß an Aufmerksamkeit erregt hat: die sog. Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA). Ausgehend vom Gründungsort Dresden haben sich binnen kurzer Zeit mehrere Ableger gebildet. Diese sind zwar zahlenmäßig, vor allem in den alten Bundesländern, sehr viel kleiner als das Dresdner Original, allerdings kann eine überregionale Verbreitung und damit eine gewisse, bitte wertneutral zu verstehende, Analogie zur Ausbreitung einer Epidemie nicht geleugnet werden. Deshalb kann im Sinne der Analyse des Aufkommens und der Ausbreitung von Epidemien eine Betrachtung der räumlichen Verteilung der Suchanfragen einen Anhaltspunkt liefern, wo sich das Interesse an diesem Thema regional bündelt und wo z.B. künftig mit verstärkten Aktivitäten zu rechnen sein könnte.
Die Suche nach PEGIDA: Ergebnisse von Google Trends
Die Grafik und die dazugehörige Tabelle geben einen Überblick über die relative Häufigkeit von Google-Suchanfragen zu PEGIDA nach Bundesländern im Zeitraum von Oktober 2014 bis Januar 2015. Dabei stellt die geografische Einheit mit dem höchsten Suchanteil für den Begriff „PEGIDA“ den Wert 100 dar, während die übrigen Zahlen das Verhältnis des Suchvolumens der entsprechenden geografischen Einheit zum höchsten Wert (100) angeben.
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Schaut man sich die Daten an, so liegt Sachsen, der Ausgangspunkt und der wichtigste Schauplatz dieser Bewegung, wenig überraschend auf Platz 1, gefolgt von Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Hamburg. Interessant ist, dass das Suchvolumen des zweitplatzierten Bundeslandes bereits nur noch etwa die Hälfte Sachsens beträgt, was ein Indiz dafür ist, dass es vor allem hier besondere regionale Bedeutung hat. Rheinland-Pfalz ist der Flächenstaat der alten Bundesländer, dessen Suchanfragevolumen zu PEGIDA am höchsten ist. Das ist überraschend, da hier eigentlich nichts über geplante Demonstrationen bzw. Gründung von Ablegern in den Medien stärker präsent gewesen ist.
Natürlich sind Suchanfragen zunächst einmal ein objektiver Indikator und sagen nichts über die Intention der oder des Suchenden aus. In diesen Daten stecken die Suchanfragen von Anhängern, Gegnern, Journalisten und allen anderen, die den Suchbegriff alleine oder in Kombination mit anderen Begriffen verwendet haben. Nähere Einblicke können verwandte Suchanfragen liefern, die hier aufgelistet sind. Auch hier scheint der Bezug zu Sachsen bzw. Dresden zu manifestieren. Und auch konkrete Informationen zu PEGIDA-Demonstrationen werden häufig gesucht. Dies kann natürlich auch durch PEGIDA-Gegner geschehen. Ein großer Teil der Suchenden will sich aber auch erst einmal einfach informieren, was PEGIDA eigentlich ist.
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Im nächsten Schritt kann man die Suchanfragen geografisch noch weiter herunterbrechen, um so Aufschluss über feinkörnigere Ballungen auf Städteebene zu erhalten. Hier wird deutlich, dass die Bedeutung von PEGIDA sich wiederum sehr stark auf Städte in den neuen Bundesländern, insbesondere Sachsen, konzentriert. Die vier Städte mit dem größten Suchvolumen befinden sich alle in Sachsen. Allerdings sind in dieser Liste mit Frankenthal (Pfalz), Hamburg und Berlin auch Städte aus den alten Bundesländern unter den Top 10 vertreten. Dennoch verfestigt sich angesichts der Datenlage die eingangs geäußerte Vermutung, dass das Interesse an PEGIDA in den neuen Bundesländern und hier vor allem in Sachsen am größten ist. Und trotzdem scheint sich in Rheinland-Pfalz auch ein überdurschnittliches Interesse am Thema PEGIDA zu manifestieren, wie ein Blick auf de Karte nahelegt. Ich betone an dieser Stelle nochmal, dass bewusst von Interesse gesprochen wird, was als neutraler Begriff zu verstehen ist, da in den berichteten Zahlen die Suchanfragen von SympathisantInnen, GegnerInnen und PEGIDA gegenüber indifferenten Menschen enthalten sind.
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Suchanfragen nach PEGIDA und AfD im regionalen Vergleich
Die Erfolge von AfD und PEGIDA werden im medialen Diskurs häufig miteinander in Beziehung gesetzt. Und auch eine Analyse von Google Trends-Daten liefert Hinweise auf einen solchen regionalen Zusammenhang. Wiederum sind die Suchanfragen zum Suchbegriff „AfD“ am relativ häufigsten in den neuen Bundesländern, insbesondere Sachsen, zu beobachten. Und auch hier ist Rheinland-Pfalz wiederum der Flächenstaat in den alten Bundesländern mit dem höchsten Suchanfragevolumen. Insgesamt lässt sich folgern: Dort wo PEGIDA interessant ist, ist auch die AfD tendenziell interessant. Das ist natürlich kein strenger Test eines solchen Zusammenhangs, aber die Daten erlauben trotzdem die Folgerung, dass sowohl PEGIDA als auch AfD in nahezu denselben Regionen eine Rolle spielen. Dies könnte ein Hinweis auf die Existenz gewisser sozialer Milieus hindeuten, wo nationalkonservative Einstellungen eine Rolle spielen, die vor allem von PEGIDA aber in gewissem Maße auch von der AfD z.B. in Sachsen bedient werden.
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Wohin bewegt sich der Trend?
Zu guter Letzt betrachten wir noch den gesamtdeutschen Trend seit der Gründung von PEGIDA und dem ersten sog. Abendspaziergang im Oktober 2014. Die Trendlinie sollte PEGIDA-Anhängern Grund zur Sorge geben, denn die Zukunftsaussichten scheinen düster zu sein, wenn sich der zu beobachtende Trend fortsetzt.
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In der Woche vom 18. bis 24. Januar 2015 wurde der Höhepunkt des Suchanfragevolumens erreicht. In der Folgewoche betrug dieses Volumen nur noch 54% der Vorwoche. Ob das mit den immer stärker werdenden Querelen in der Führungsriege der Organisation und dem deutlichen gesellschaftlichen Widerstand gegen PEGIDA zu tun hat, kann man nur vermuten. Dennoch deuten die Daten an, dass das Interesse an PEGIDA , zumindest hinsichtlich der Suchanfragen bei Google, zu schwinden scheint. Viele denken sicher: Hoffentlich nicht nur hier.
Verwendete Literatur:
Choi, Hyunyoung und Varian, Hal (2012): Prediciting the present with Google Trends; In: Economic Record; 88; S. 2 – 9.
Preis, Tobias; Moat, Helen Susannah; Stanley; H. Eugene; Bishop, Steven R. (2012): Quantifying the Advantage of Looking Forward; In: Science Reports 2.