Von Achim Goerres
Die AfD gewinnt immer besonders da, wo bei vergangenen Wahlen rechte Parteien erfolgreich gewesen sind. Nach einer Analyse der Stadt Essen legt der Autor hier eine Mini-Analyse der Landtagswahlen in Sachsen vor. Während die AfD wenige Wähler direkt von der NPD zog, schien sie insgesamt eine breite Wählerschaft mobilisieren zu können, aber vor allem in den Wahlkreisen, in denen rechte Wahlerfolge an der Tagesordnung gewesen waren.
In meinem letzten Beitrag beschrieb ich die Muster des AfD-Wahlerfolgs in Essen bei der EP-Wahl 2014. Dieser Beitrag wurde sehr viel gelesen, geliket, verlinkt und weiterverschickt. Ich bekam Post per Brief und auch eine E-Mail von einem (nach seiner eigenen Darstellung) AfD-Anhänger, deren Inhalt ich leider nur anonymisiert wiedergeben darf.
In dieser E-Mail brachte der Kommentator einige berechtigte Sachfragen auf, die ich lieber in Form eines Blogkommentars gelesen hätte. Damit verknüpfte er leider einige pauschale Angriffe auf meine Zunft: „Die Analyse [von Jungwählern extremistischer Parteien, AG] wäre die sinnvollere Aufgabe für die Politikwissenschaft, als die gesamte Energie dafür zu verwenden permanent einer neuen Partei ans Bein pinkeln zu wollen die nichts anderes macht als die Lücke im Spektrum zu schliessen die Union und FDP fahrlässigerweise haben entstehen lassen.“
In dem alten Blogbeitrag beschrieb ich, dass die AfD in Essen unter anderem da im Schnitt erfolgreicher bei der EP-Wahl sei, wo bei der BT-Wahl vorher die NPD und Republikaner erfolgreich gewesen sei.
Der erboste Kommentator wies darauf hin, dass man ja nicht davon ausgehen könne, dass die AfD der NPD und den Republikanern die Wähler weggenommen hätten.
Das ist korrekt, das hatte ich so auch nicht geschrieben.
Nach der Landtagswahl 2014 in Sachsen schrieb der FAZ-Journalist Timo Steppat einen wunderbaren Beitrag über den sächsischen Wahlkreis Bautzen, in dem sowohl die NPD als auch die AfD sehr erfolgreich war. Darin beschrieb er die soziale und politische Struktur des Wahlkreises als gemeinsamen Auslöser für das gleichzeitige gute Abschneiden der AfD und der NPD.
Diese verschiedenen Eindrücke habe ich zum Anlass genommen, mir die NPD- und AfD-Wahlergebnisse für Sachsen einmal genauer anzusehen.
Abbildung 1: Streudiagramm des AfD-Wahlerfolgs nach Wahlkreisen bei der Landtagswahl in Sachsen 2014 und des NPD-Wahlerfolgs von der Landtagswahl 2009
Abbildung 1 reproduziert die Graphik, die ich bereits für Essen erstellt habe. Auf der y-Achse ist der AfD-Erfolg in den Wahlkreisen im Jahr 2014, auf der x-Achse ist der NPD-Wahlerfolg im Jahr 2009. Man sieht eine hohe Korrelation von 0,69. Je höher der Wahlerfolg der NPD 2009 war, desto höher war im Schnitt der Wahlerfolg der AfD im Jahr 2014.
Es gilt auch hier: da wo rechte Parteien erfolgreich waren, ist im Schnitt auch die AfD heute erfolgreich.
Woran kann das nun liegen? Nimmt die AfD der NPD die Wähler weg?
Abbildung 2: Screenschot der Wählerwanderung zur AfD bei der Landtagswahl 2014 in Sachsen
Wenn man in Abbildung 2 die Wählerwanderungsschätzungen von Infratest Dimap anschaut, kann man sagen: naja, ein bisschen. Wahrscheinlich genug, um die NPD vom Einzug in den Landtag abgehalten zu haben. Aber ehemalige NPD-Wähler machten nur einen Bruchteil der AfD-Wähler aus.
War denn der Zusammenhang zwischen dem Abschneiden der AfD und der NPD im Jahr 2014 negativ? Also da wo die AfD erfolgreicher war, war die NPD weniger erfolgreich?
Abbildung 3: Streudiagramm des Wahlerfolgs der NPD und der AfD bei der Landtagswahl Landtagswahl 2014 in Sachsen
Ganz im Gegenteil: da wo die NPD 2014 erfolgreicher war, war im Schnitt auch die AfD erfolgreicher. Sogar bei derselben Wahl galt der Zusammenhang und war mit einer Korrelation von 0,72 sehr hoch.
Irgendetwas in denselben Wahlkreisen beflügelt sowohl die AfD und die NPD. Ihre Wahlerfolge finden in denselben Kontexten statt.
Nach allem was ich bisher hier gesehen habe, würde ich gerne folgende Erklärung vorstellen:
Die AfD kann auch Wähler mit rechter Wahlvergangenheit anziehen. Darüber hinaus generiert sich ihr Erfolg aber in denselben Kontexten, in denen auch die NPD stark ist. Die AfD kann auf viel mehr Aufmerksamkeit durch die Medien bauen als die NPD. Sie generiert dadurch ein viel größeres Wählerpotenzial von Menschen, die sich mit den nationalkonservativen Vorschlägen der AfD identifizieren können. Deswegen kann die AfD auch aus der Gruppe der ehemaligen Nicht-Wähler (siehe Wählerwanderung) sehr stark rekrutieren. Dieses nationalkonservative Wählerpotenzial ist strukturell durch bestimmte Bedingungen der Wahlkreise bestimmt. Während bisher hauptsächlich die NPD daraus schöpfte, schöpfen nun beide aus diesem Pool von Wählern, der größer geworden ist.
Quellen:
Eigener screenshot von tagessschau.de, http://wahl.tagesschau.de/wahlen/2014-08-31-LT-DE-SN/analyse-wanderung.shtml, download 21.09.2104, eigene Markierung.
Wahldaten vom Landeswahlleiter Sachsen.
2 Comments